Vorstands-Ansprache zum Jubiläum der Siedlergemeinschaft
Matthias Meier, 1. Vorsitzender der Siedlergemeinschaft, eröffnete die Feierstunde zum Doppeljubiläum mit einer eigenen Ansprache, die an dieser Stelle nachzulesen ist. Eine kurze Zeitreise durch die Geschichte der Siedlergemeinschaft.

Mit insgesamt 140 Jahren aus zwei Jubiläen gibt es viel zu erzählen.
Bevor ich Sie auf eine kurze Zeitreise mitnehmen werde, ist es mir ein Anliegen, zunächst Danke zu sagen. Dieser Dank gilt den Ehrenmitgliedern und Hans Mindl dafür, dass Ihr mit eurem Engagement möglich gemacht habt, dass wir heute in den Räumlichkeiten der Gemeinschaftsanlage Melm zusammenkommen können und überhaupt eine Kleingartenanlage entstehen konnte. Das war damals sicher nicht selbstverständlich und ist in der heutigen Zeit fast unvorstellbar.
Aber nun zurück zur Zeitreise. Als „Zugezogener“ wohne ich zwar auch schon über 21 Jahre in der Melm beziehungsweise der Notwende, kenne dadurch aber nur einen Bruchteil der Geschichte von Verein und Wohngebiet.
Daher habe ich mir mal wieder unsere Chronik zum 75-Jährigen angeschaut. Es ist erstaunlich, wie viele Geschichten es zu der Zeit vor dem Bau der Notwende, dem später dazugekommenen Weidenschlag und zuletzt der Melm zu erzählen gibt. Ich war über manche Stellen der jüngeren Vergangenheit überrascht.
Starten wir mal ganz vorn: Wussten Sie, dass vor mehr als 1.100 Jahren der Rhein direkt vor unserer Tür geflossen ist, Edigheim und Oppau damals noch auf der anderen Rheinseite waren? Diese sind der Grund, warum es hier Straßennamen wie Altrheinstraße und Rheinhorststraße gibt.
Oder kennen Sie die Sage vom Funkreiter, der im Gebiet sein Unwesen getrieben haben soll, als sowohl Oggersheim und Oppau Ansprüche auf dieses Gebiet erhoben haben?
War Ihnen bekannt, dass von den 10.000 Einwohnern, die Oggersheim 1930 hatte, fast 6.000 aufgrund der großen Weltwirtschaftskrise von öffentlichen Stellen Unterstützung benötigten und eine große Wohnungsnot herrschte? Am 31.12.1932 waren 100 Familien obdachlos. Und damit lag Oggersheim laut zeitgenössischen Zeitungsberichten an der Spitze von Bayern, zu dem Oggersheim damals noch gehörte.
Das Reichsheimstättengesetz, auf dem die Planung der Siedlung beruhte, gab es zwar schon seit 1904, Gedanken und Pläne der Umsetzung auch, es gab aber niemanden, der bereit war, für eine Arbeitersiedlung Geld in die Hand zu nehmen. Erst nach der Machtübernahme der NSDAP im Januar 1933 kam Bewegung in die Sache, und dann ging es rasant. Die bisher eher zögerlich handelnde Baugesellschaft der BASF sowie weitere Firmen werden mit ins Boot geholt. Im Frühjahr 1934 zog bereits der erste Bautrupp in die eher sumpfige Notwende und begann mit dem Auftrag, eine Siedlung zu errichten. Trotz der vielen Herausforderungen, angefangen beim hochstehenden Grundwasser und der schwierigen Logistik, konnten nach etwa 9 Monaten Bauzeit schon die ersten 74 Häuser nach und nach bezogen werden.
Zu der Zeit erfolgte die Gründung der beiden Siedlervereine. Einmal für die Arbeiter bei der BASF und ein Verein für alle anderen. Ursprungsgedanke dabei war, die 9 Monate gemeinschaftliche Arbeit als organisierte Gemeinschaft fortsetzen zu können.
Zuerst hatte die Siedlung den Namen Erwerbslosen- und Werkarbeitersiedlung Oggersheim. Im März 1935 vergab der Stadtrat dann den Siedlungsnamen Notwende und alle, auch heute noch gültigen, Straßennamen.
Auch wenn es zuerst nur Strom gab, Straßen, Kanäle und Gasanschlüsse auf sich warten ließen, haben die beiden Siedlervereine 1937 gemeinsam die erste Kerwe organisiert und sich danach von Jahr zu Jahr abgewechselt. Angefangen im Hof der Gaststätte im Schelmenherschel und später auf dem Platz in der Altrheinstraße. Auch einen Lebensmittelladen gab es von 1938 bis 1970. Insgesamt gab es viel gemeinsames Engagement, um das Leben entsprechend lebenswert zu gestalten.
Bereits 1937 wurde das Strandbad Melm als Badestätte freigegeben und danach immer wieder aufgewertet. Laut Zeitzeugen war die Melm damals ein absolutes Highlight und die Siedlerkinder privilegiert, sozusagen am Badestrand von Oggersheim zu wohnen. Leider fand die Geschichte kein gutes Ende, da die Melm vor knapp 20 Jahren aufgrund der finanziell schlechten Lage der Stadt geschlossen werden musste. Hier wurde auch seitens des Vereins viel investiert, aber abwenden konnte man die Schließung nicht. Hier kam das Neubaugebiet mit seinen vielen Bewohnern vielleicht einfach gute 10-15 Jahre zu spät. Vielleicht hätten sich dann die notwendigen Besucherzahlen für den Weiterbetrieb erreichen lassen.
Nach dem Exkurs nun wieder zurück zu den Anfängen: In die Zeit der Siedlungsgründung fiel 1938 auch die Eingemeindung von Oggersheim in die Stadt Ludwigshafen. Ein Jahr davor gab es einen vernünftigen Straßenanschluss. Auf Gas musste man aber bis 1954 warten.
Dazwischen gab es leider auch viele schwere Jahre, da der 2. Weltkrieg die Siedlung ebenfalls getroffen hat. Im Gedenken daran lädt die Siedlergemeinschaft seit vielen Jahren am Volkstrauertag beim Gedenkstein am Käthe-Kollwitz-Kindergarten in der Altrheinstraße ein.
Nach dieser schweren Zeit ging es dann aber stetig aufwärts und es entwickelte sich eine in vielen Bereichen engagierte Bürgerschaft. Allerdings gab es immer noch so einiges, auf das die Siedler zunächst verzichten mussten.
Mit dem Anschluss an die Kanalisation dauerte es zum Beispiel bis zum Bau des Gebiets „Am Weidenschlag“. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden die Straßen in der Notwende asphaltiert. Gleichzeitig wurde auch die Karl-Kreuter-Grundschule gebaut, die dann im September 1968 feierlich eingeweiht wurde. Auch das Gewerbegebiet um die Rheinhorststraße wurde entwickelt.
Im Anschluss daran wurde 1970 endlich die Buschwegbrücke gebaut. Alleine dazu gäbe es einiges zu erzählen, aber das würde den Rahmen sprengen.
Ende 1973 haben die zwei bis dahin bestehenden Siedlervereine mit großer Mehrheit beschlossen, zukünftig als ein Verein, die Siedlergemeinschaft BASF-Notwende aufzutreten. Und gleich darauf näherte man sich gedanklich dem größten Projekt der Siedler – der Gemeinschaftsanlage Melm.
Auch damals mussten einige „dicke Bretter“ gebohrt werden, bis es Ende Mai 1980 mit der Grundsteinlegung losging. Es folgten fast zwei Jahre, in denen die Siedler sozusagen auf der Baustelle wohnten und mit viel Eigenleistung das Großprojekt voranbrachten. Auch während der Bauzeit gab es kleine und größere Steine, die aus dem Weg geräumt wurden, sodass im April 1982 ein großes Einweihungsfest gefeiert werden konnte.
Parallel dazu hatte man den 1976 geborenen Gedanken einer Kleingartenanlage stetig vorangetrieben. Und so ging es 1984 mit dem Bau der ersten 25 Häuschen los. Scheinbar war man dann so im Flow, dass in kürzeren Abständen danach die nächsten Bauabschnitte folgten. Inzwischen konnte die Kleingartenanlage schon einige Preise bei Landes- und Bundeswettbewerben einheimsen.
Im Jahr 1991 begannen dann die Planungen für die Erschließung und Bebauung des Baugebiets Melm. Da waren die Siedler zwar nicht selbst aktiv am Bau beteiligt, haben aber damals schon viele Dinge gefordert, welche den heutigen Bewohnern zugutekommen.
Neben all der Bautätigkeiten hat man aber den geselligen Teil nie zu kurz kommen lassen. Fast alle Jubiläen wurden in irgendeiner Form gefeiert, es gab lange einen Siedlerchor. Veranstaltungen für die Vereinskinder, Siedlerfasching und diverse Veranstaltungen in der Kleingartenanlage zeugen von der Schaffenskraft der hier heute anwesenden Ehrenmitglieder.
Aber Zeiten ändern sich und das hat der Verein vor gut 15 Jahren selbst zu spüren bekommen. Keiner von uns wird jünger und irgendwie war – wie man so schön sagt – die Luft raus, und beileibe nicht so viele neue Schaffer gefunden, die zukünftig die Richtung vorgeben sollen. So kreisten einige Jahre dunkle Wolken über dem Verein und selbst eine Auflösung stand kurz im Raum.
Ich kann mich hier tatsächlich noch sehr gut an meine ersten Vorstandssitzungen in deutlich verkleinerter Runde erinnern. 2013 die Kerwe nicht selbst auszurichten fühlte sich für mich wahrlich komisch an, aber rückblickend betrachtet war es wohl eine richtige Entscheidung. Der Ersatz war nicht schlecht, aber es war eben keine Siedlerkerwe. Zumal die Leberknödel einfach viel zu klein waren (lacht).
Im folgenden Jahr wollten die Siedler auf jeden Fall wieder eine Kerwe ausrichten. Als die LUKOM sich als Ausrichter und Verantwortlicher für die Schausteller und alle Genehmigungen zurückzog, wurden mögliche Schritte im Vorstand viel diskutiert. Erfreulicherweise haben wir es uns damals zugetraut und die Kurve gekriegt.
So ist es auch mit dem Siedlerfasching gewesen. Gezwungenermaßen eine Kürzung von zwei Tagen auf einen und zwischenzeitlich nur einen halb vollen Saal begrüßt. Auch dieses Tal haben wir durchschritten und freuen uns nun wieder über einen vollen Saal. Zugegebenermaßen mit ein paar Stühlen weniger.
Im Hier und Jetzt angekommen möchte ich meine kleine Zeitreise auch beenden und hoffe, Sie neugierig gemacht zu haben. Zum Ende möchte ich nochmals Danke sagen. Danke an Hans Mindl und posthum an Gerd Bauer und Karlheinz Reiß. Und zwar dafür, dass Ihr neben den ganzen anderen Themen, die ihr damals gewuppt habt, auch die Chronik gemacht habt. Im Zeitalter von Google kann man sich kaum vorstellen, wie viel Arbeit das Zusammentragen der ganzen Daten gemacht haben muss.
Genauso möchte ich aber auch der heutigen Vorstandschaft danken. Wie vorhin schon gesagt ändern sich die Zeiten und neben beruflichen Herausforderungen gibt es mehr als genügend soziale Medien, die so einen Bürgerverein gefühlt unnötig machen. Dass wir nicht unnötig sind, sehen wir an jeder unserer Veranstaltungen. Deshalb danke dafür, dass ihr helft, unser Wohngebiet im Rahmen der Möglichkeiten mitzugestalten.
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